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Tod durch Unterkühlung

Wenn einem das Lachen vergeht ...

Manch einer schmunzelt, wenn er meinen Biwaksack sieht, denn ich an einem herrlichen Frühlingstag im Voralpenland in den Rucksack gesteckt haben. Und wenn er dann noch Handschuhe, Mütze und Anorak sieht, dann lacht er laut.

Mir selbst ist in 30 Jahren Berwander- und Hochtourenpraxis oft genug vor Augen geführt worden, wie eine harmlose Tour bei bestem Wetter auf einmal sehr unangenehm werden kann.

Zum Beispiel musste ich in den 80er Jahren von der Peyer-Hütte aus per Feldstecher ein Bergdrama auf dem Ortler-Gletscher verfolgen, das zum Tod eines Bergsteigers führte. Der durch Spaltensturz Verletzte konnte wegen des plötzlich aufziehenden Gewitters und Einbruch der Nacht nicht vom Gletscher ausgeflogen werden, musste bei schwerstem Unwetter die Nacht draußen verbringen und starb an den Folgen dieser Tortur.

Eine meiner Touren im Frühsommer auf die Birkkarspitze endete in der Biwakschachtel, weil das Birkkar stark vereist war und wir den Schlauchkarsattel erst in der Dämmerung erreichen konnten. Gut ausgerüstet war diese Nacht unbequem, aber unproblematisch.

Beim Frühstück am nächsten Morgen im Karwendelhaus wurden wir dann von einer Gruppe Bergsteiger wegen unserer Ausrüstung (Eispickel, Steigeisen, Biwaksack und Leichtschlafsack) verspottet: “Wer nimmt denn sowas ins Karwendel mit? Ihr habt euch wohl im Wandergebiet geirrt!”. Diese Bergsteiger hatten weder Stöcke noch Grödeln dabei und wollten durch das Birkkar absteigen, durch das wir am Tag zuvor mit Steigeisen und Pickel nur unter großer Mühe aufsteigen konnten. Unsere Warnungen wurden lachend in den Wind geschlagen. Vermutlich ist ihnen im Lauf des Tages das Lachen noch vergangen. Hoffentlich nicht durch einen Unfall.

Als Zivilisationsmensch ist man gewohnt, dass bei einem Unfall der Notarzt jederzeit innerhalb von längstens einer Stunde da ist und einem hilft. Man ist gewohnt, dass man jederzeit technische Hilfe in Anspruch nehmen kann, zum Beispiel ein Auto, das einen fährt, wenn man nicht mehr weiter kann.

Das ist aber in den Alpen nicht der Fall. Sie sind eine der letzten einigermaßen naturbelassenen Landschaften Europas. In ihnen gelten deswegen andere Regeln. Man muss sich von der Ausrüstung her, aber auch mental (!) darauf einstellen, dass man für eine ungewöhnliche lange Zeit, vielleicht für eine Nacht, schlimmstenfalls sogar länger, auf sich gestellt ist, wenn etwas passiert.

Um beim Beispiel zu bleiben, wenn man im vereisten Birkkar beim Abstieg ausrutscht und sich so verletzt, dass man nicht mehr gehen kann, muss Hilfe geholt werden. Bis jemand wieder an der Hütte ist und Bescheid sagt und bis dann ein Rettungshubschrauber starten kann, vergehen bereits mindestens zwei bis drei Stunden. Das reicht bei Bewegungsunfähigkeit bereits aus, um sich ordentlich zu unterkühlen, auch mit Spätfolgen für die Gesundheit (z.B dauerhafter Nierenschaden).  Bei einem aufziehenden Gewitter, wegen dem keine Flugrettung möglich ist und bei dem die Temperatur auf einmal an die Nullgradgrenze fällt, muss man vielleicht viele Stunden ausharren, bis Rettung da ist. Die Spasstour, die jedes Jahr von Hunderten von Wanderern gemacht wird, wird so zum lebensbedrohlichen Ereignis.

Kann man den Verletzen in diese Situation jedoch ordentlich verbinden, in warme Kleidung, einen Leichtschlafsack und den Biwaksack stecken, dann kommt er mit einiger Sicherheit mit dem Schrecken davon. Diese zusätzliche Sicherheit sollte einem die paar Gramm Gepäck wert sein.

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